Wandern mit Teenagern

5. Feb.. 2019 | Quer

Weitwandern ist alles andere als langweilig! Trail Angel Werner Mussnig war mit seiner Tochter Valentina am Krk Island Trail ©Trail Angels

Die Kinder befinden sich im besten Teenager-Alter. Da fragt man sich schon, wohin man reisen soll und was man gemeinsam tun kann. Der Blog versteht sich als eine Anregung, wie man seinen Urlaub mit Teenagern verbringen kann und abseits vom täglichen Stress Zeit findet, sich auszutauschen, gemeinsam Kraft zu tanken und sich in der Familie wieder ein Stück näher zu kommen.

Meine Tochter ist ein toller Mensch. Sie ist fast 15 Jahre und ziemlich mitten in der Pubertät. Seit ihrem ersten Tag auf dieser Welt hat sich zwischen uns eine ganz enge Beziehung entwickelt und gerade in dieser sensiblen Entwicklungsphase (ich meine ihre) hilft uns dieses enge Band. Nur so ist es auch zu erklären, dass sie mich nicht für total verrückt erklärt hat, als ich ihr offenbart habe, dass wir mal gemeinsam den Krk Island Trail machen sollten.

Nun ein vierzehnjähriges Mädchen hat verständlicherweise andere Interessen als mit ihrem mehr oder weniger ergrauten Vater durch die Gegend zu latschen. Ihre Freundinnen, ihre Pferd und nicht zuletzt ihr iPhone 7 stehen da bei den Prioritäten ganz oben. Die Schule und das Lernen befinden sich in ihrem persönlichen Ranking dafür am anderen Ende der Skala. Ihr Vater steht, so rede ich es mir zumindest ein, relativ weit oben, Wandern dafür relativ weit unten. Soviel zur aktuellen Gefühlswelt meiner Tochter. Ich denke mir, dass ich hoffentlich mein Unterfangen „Urlaub mit Teenangern“ nicht falsch eingeschätzt habe.

Also Wandern mit Vati. Nun gut, wobei Begeisterung etwas anders klingt. Dabei habe ich mir etwas ganz Besonderes ausgedacht. Nachdem Skifahren nicht ganz so weit oben in ihrer Beliebtheitsskala steht und der Winter in der Stadt ohnedies etwas trüb rüberkommt, dachte ich mir, ein paar Tage auf einer Insel an der dalmatischen Küste würden unserer Seele gut tun. Also auf nach Krk und ab in den Frühling. „Also Papa, wenn´s unbedingt sein muss …“ „Beste“ Voraussetzungen für einen gemeinsamen Urlaub mit Teenagern.

Panoramaweg Südalpen Panorama am Hochplateau
In der Prioritätenliste eines Teenagers an der vordersten Stelle: IPhone
Gesagt getan, solange das iPhone in Griffweite ist, hält sich der Schmerz wohl in Grenzen (ihre Pferd konnte sie ja wohl nicht mitnehmen). Apropos Grenzen, einmal Österreich – Slowenien und dann Slowenien – Kroatien und nach 2 ½ Stunden sind wir am Meer und kurz danach in Vrbnik. Der reizende Ort mit seinen alten Kirchen, Kapellen und Gebäuden liegt auf einem Fels, der steil ins Meer abfällt. Im Zentrum der Altstadt wird die Silhouette durch den Glockenturm geprägt, der von einem venezianischen Bauherr errichtet wurde, erzähle ich meiner Tochter. Sie: „Aha“ (ich meine ein Aha mit „?“ zu hören). Ich denke mir: was soll´s: Urlaub mit Teenagern eben!

Am Abend essen wir in einer der Bars, die ca. 100 m über dem Meer liegen und von deren Terrassen man den Eindruck hat, direkt ins tiefe Blau eintauchen zu können. Die letzten Wochen waren für uns beide recht stressig und so kommen wir mal wieder zum Quatschen, auch wenn sie hie und da auf Ihr Handy (Entschuldigung iPhone 7) starrt. Ich freue mich derweil auf das lange Wochenende und die Tage, die vor uns liegen.

Am nächsten Morgen starten wir nach Báska. Nicht unbedingt die kürzeste Etappe, aber dafür eindrucksvoll. Während die Insel Krk im Norden reich an Vegetation ist, verändert sich die Landschaft südlich von Vrbnik zunehmend in eine bizarre, mondähnliche Landschaft, an deren Klippenkamm man immer das tiefblaue Meer als Wegbegleiter hat. Der Kontrast zwischen dem kargen Land und dem Farbenspiel des Meers könnte nicht stärker sein.

In der Früh steckt sich meine Tochter wie erwartet, das iPhone in die Jacke, damit sie es immer in der Nähe hat. Man weiß ja nie, wann einem eine wichtige Nachricht quasi zwingt, schnell darauf zu reagieren. Und so kommt es auch, dass nach einigen Pings und ähnlichen Signalen (je nachdem ob von Whats app oder Twitter oder …) meine Tochter eine kurze Pause braucht, um ihre Responsezeit möglichst kurz zu halten. Zwischen diesen in dieser Umgebung noch surrealer wirkenden Signalen aus der Zivilisation kommen wir aber auch viel zum Reden, Zuhören und Lachen. Zu meiner Verwunderung packt meine Tochter nach der ersten Pause das Handy in den Rucksack. Ich sag nichts und lächle vor mich hin.

Panoramaweg Südalpen Panorama am Hochplateau
Nach einem recht langen Tag erreichen wir Báska, und blicken aufgrund der genialen Routenführung vom Höhenplateau direkt auf den Ort zu unseren etwas müden Füßen. Dieser liegt am südlichen Ende des gleichnamigen Tales an der Mündung eines Flusses. Unser Hotel liegt mitten im Ort, hat ganz moderne Themenzimmer und das Essen schmeckt nicht nur deswegen so gut, weil wir an diesem Tag weit gegangen sind. Dank des Gepäcktransportes sind unsere Klamotten bevor wir ankommen schon im Zimmer. Ach ja, im Zimmer hat meine Tochter einen kurzen Blick aufs Handy geworfen, beim Abendessen haben wir es beide nicht vermisst. Ich schlafe mit dem Gedanken ein, dass sich unsere Reise eigentlich ganz anders entwickelt, als ein typischer Urlaub mit Teenagern, wie man ihn sich so vorstellt.

Nächsten Tag geht es entlang der Bucht von Báska in eine Scharte, vorbei an Zäunen aus Stein, in deren Einfriedung Ziegen und Schafe gehalten werden. Der Aufstieg auf den Pass ist recht anstrengend und ich muss zugeben, dass ich das Tempo meiner Tochter nicht ganz halten kann. Sie hat längst der Ehrgeiz gepackt und ich frage mich, für was ich dreimal die Woche trainiere. OK, dem Stress geschuldet sind es meist eh nur zwei Trainingseinheiten. Ich freu mich jedenfalls, dass meine Tochter wie ausgewechselt ist. Sie freut sich, dass sie ihren Vati einer Dampflokomotive gleich im Schlepptau hat. Und das iPhone? Irgendwo im Rucksack – auf lautlos gestellt.

Unser heutiges Ziel ist Punat, das ganz idyllisch an einer Meeresbucht liegt, inmitten derer sich kleine Miniinseln befinden. Auf einer dieser Insel, genannt Kosljun, steht ein Franziskanerkloster. Zuvor passieren wir aber viele einsame Meeresbuchten und bewegen uns immer am Hügelkamm der südlichen Ausläufer der Insel. Das Meer zeigt sein unbeschreibliches Farbenspiel von dunkelbau, über türkisgrün bis hin zu azur- und hellblauen Tönen. Wir rasten in menschenleeren Buchten und lassen uns den Wind um die Ohren brausen. Manchmal hören wir nur dem Meer zu und manchmal uns einander! Und ich denke mir: das ist es, was das Leben ausmacht.

Richtung Punat nimmt die Vegetation wieder zu und man geht teilweise im Schatten von Pinien- und Zirbenwälder. Das macht das Gehen leichter und wir freuen uns schon wieder auf ein weiches Bett, eine warme Dusche (deswegen ist man noch lange kein Warmduscher) und auf die lokale Küche. Ach ja, und der Wein der Insel hat in den letzten Jahren enorm an Qualität gewonnen. Dieser Satz gilt aber nur für mich, meine Tochter ist ja immerhin noch nicht mal 15! Am nächsten Tag geht es mit einer Fähre über die Bucht von Punat in Richtung Krk, dem Hauptort der Insel mit seiner unbeschreiblich schönen Altstadt. Am Hafen haben bereits im März die Cafés geöffnet und es herrscht ein geselliges Treiben. Ist ein wenig gewöhnungsbedürftig, wenn man eine Zeitlang nur zu zweit wandert, ohne anderen Menschen zu begegnen. Aber der Mensch ist ja bekannter Weise eine soziales Wesen und so gewöhnen wir uns relativ schnell an die belebte Szenerie.

Am nächsten Morgen geht es mit dem Shuttleservice zurück nach Vrbnik zu unserem Auto. Wir packen die Sachen um und starten wieder Richtung Heimat. Am Beifahrersitz zieht meine Tochter ihr iPhone aus der Jackentasche und zwinkert mir zu. Wir müssen beide lachen. Ich denke mir, gewisse Sachen ändern sich wohl nicht so schnell, aber eines bin ich mir ganz sicher: unser Band hat sich erneuert und ist noch stärker geworden. So sinniere ich auf der Rückfahrt vor mich hin, dass das Band vielleicht ja schon so stark ist, dass wir das nächste Mal die restlichen Etappen des Krk Island Trails gehen können. Da reißt mich meine Tochter aus den Gedanken und fragt doch tatsächlich, wann wir die fehlenden Etappen machen können, vielleicht im Mai, wenn man schon einen Sprung ins Meer wagen kann. Ich freue mich schon auf den nächsten Urlaub mit Teenagern. Hätte ich mir vor der Reise nie gedacht …

Autor

Werner Mussnig

Der habilitierte Wirtschaftswissenschaftler ist seit jeher zwischen der Welt der Wirtschaft & seinen Hobbies Klettern & Trekking hin und hergerissen. Wobei Werner jetzt immer mehr in das Universum von Bookyourtrail eintaucht.

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